| Zum Jahr 2023 musste IB-Murten die Stromtarife erhöhen. Die Anpassung ist aufgrund der gestiegenen Beschaffungskosten der Energie nötig. Dennoch hat sich die Beschaffungsstrategie der IB-Murten in den vergangenen Jahren bewährt. Gerne geben wir einen Einblick in Energiebeschaffung und Tarifkalkulation.
Energieversorgung ist ein komplexes Thema. Umso mehr, wenn es um die Energiebeschaffung und die davon wesentlich beeinflussten Stromtarife geht. Wie bei der Tarifkalkulation vorgegangen werden muss, ist im Stromversorgungsgesetz geregelt. Dominic Isenschmid, Leiter Vertrieb und Marketing, erklärt im Kurzinterview, wie die Energiebeschaffung bei IB-Murten funktioniert.
Wie sich Energiepreise zusammensetzen und wie das Weltgeschehen die Marktpreise beeinflusst, hat Andreas Gut, Leiter Asset Management und Regulierung, im Artikel «Einfluss der steigenden Energiepreise» erklärt.
Wie wird die Energie bei IB-Murten beschafft? Und welche Menge?
«Die Energiemenge, die für ein Jahr Grundversorgung benötigt wird, beschafft IB-Murten während drei Jahren vor dem Lieferzeitraum am Grosshandelsmarkt. Das heisst, dass wir Verträge mit Lieferanten abschliessen. Dank jahrelanger Erfahrungswerte können wir den Energiebedarf im Voraus auf Basis von Messdaten abschätzen. Wie viel Energie dann effektiv verbraucht wird, wissen wir, sobald das Lieferjahr zu Ende ist.»
Wann und in welchen Mengen wurde die Energie für 2023 beschafft?
«Wie üblich, wurde auch für 2023 in den drei Jahren vorher, also in den Jahren 2020, 2021 und 2022, Energie eingekauft. Zu Ende 2022 muss also die voraussichtliche Absatzmenge beschafft sein. Im Frühjahr 2020 sind die Strompreise aufgrund der Covid-19-Pandemie eingebrochen. Aus diesem Grund haben wir damals ausserordentlich viel Energie eingekauft, wie unsere Grafik zur beschaffenen Menge zeigt:»
Wie haben sich die Kosten für die Energiebeschaffung entwickelt?
«Beim Einbruch der Strompreise Anfang 2020 konnten eine Megawattstunde Strom – das sind 1'000 Kilowattstunden – für rund 40 Euro eingekauft werden. Mitte 2021 lag das Niveau noch bei rund 50 Euro pro Megawattstunde. Und dann sind die Preise am Grosshandelsmarkt regelrecht explodiert: zwischenzeitlich haben sie sich verzwanzigfacht, nun verzehnfacht. Aktuell wird eine Megawattstunde Strom zu 500 Euro oder rund 50 Rappen pro Kilowattstunde gehandelt (Stand: Montag, 12.09.2022).»
Entwicklung der Strompreise seit 2002 (Quelle: ompex).
Entwicklung der Strompreise 2019 bis 2022 (Quelle: ompex).
Wieso steigen die Stromtarife bei IB-Murten, obwohl 2020 günstig Energie beschafft werden konnte?
«Im Vergleich zu vorherigen Jahren ist in der zweiten Jahreshälfte von 2022 verhältnisweise nur noch eine kleine Menge an Energie zu beschaffen. Durch den noch nie dagewesenen Anstieg der Energiepreise am Markt hat dies einen hohen Einfluss auf den Stromtarif. Zwei Prozent der noch zu beschaffenden Strommenge für die Grundversorgung machen knapp 30 Prozent der Kosten aus. Dennoch ist es so, dass die Beschaffungsstrategie von IB-Murten den massiven Marktanstieg hat dämpfen können. Neben den Energiekosten setzt sich der Stromtarif für die Endkunden von IB-Murten auch aus den Kosten für Netznutzung und Abgaben zusammen. Die Netznutzung ist ihrerseits ebenfalls angestiegen – dies aufgrund der steigenden Vorliegernetzkosten.»
Neben Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung gibt es auch welche mit einem Marktvertrag. Haben diese auch einen Einfluss auf die Energietarife?
«IB-Murten ist für die Grundversorgung zuständig und beliefert Marktkunden mit Energie. Dies sind Unternehmen mit einem Jahresverbrauch ab 100 Megawattstunden und einem individuellen Vertrag. Für die Grundversorgung führen wir die Energiebeschaffung autonom aus. Für die Marktversorgung wird die Beschaffung individuell mit den Unternehmen mit einem Marktvertrag abgestimmt. Gemäss den regulatorischen Vorgaben sind nun zur Kalkulation der Tarife beide Portfolios gewichtet miteinander zu verrechnen. Es entsteht ein Durchschnittspreis für alle. Auch die noch offenen Mengen an benötigter Energie sind zu bewerten und mit einzukalkulieren. Noch offene Mengen gibt es vor allem auch deshalb, da die Marktkunden wegen den explodierten Preisen noch keine Stromverträge unterzeichnen wollen.»
Welche Wirkung hat die Durchschnittspreismethode auf die Stromtarife?
«In den vergangenen Jahren haben die Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung davon profitiert. Denn sind die Marktpreise gesunken, haben die Marktkundinnen und -kunden Strom eingekauft, wovon alle Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren konnten. Gleichermassen wirkt sich das aber auch umgekehrt aus, wenn die Marktpreise steigen – und so erleben wir es aktuell: Die Tarife sind für alle Kundinnen und Kunden der IB-Murten gestiegen.»
«Es ist uns wichtig, eine realistische datenbasierte Schätzung abzugeben und zu vermeiden, dass die aktuelle Problematik Einfluss auf die Folgejahre hat.»
Dominic Isenschmid, Leiter Vertrieb und Marketing
Was passiert, wenn die Tarifkalkulation von den tatsächlichen Kosten abweicht?
«Unser Ziel ist es, eine realistische Schätzung anhand der vorhandenen Daten abzugeben. Und damit möglichst nah an den effektiven Kosten zum Ende des Jahres zu sein. Keiner hat etwas davon, wenn wir falsch kalkulieren. Jedoch machen es die aktuellen Marktturbulenzen nicht einfach. Jeweils bis Ende August müssen wir die Tarife des Folgejahres kalkulieren – das ist gesetzlich vorgeschrieben. Wir machen das so spät wie möglich, damit wir möglichst viele Unsicherheiten am Markt eliminieren können.
Sollten die effektiven Beschaffungskosten für Energie in Zukunft tiefer ausfallen als zum Zeitpunkt der Tarifkalkulation, entsteht eine sogenannte Überdeckung. Bei höheren effektiven Beschaffungskosten eine Unterdeckung. Diese Differenzbeträge werden in den Folgejahren bei der Tarifkalkulation berücksichtigt. Konkret heisst dies: würden wir die Tarife tiefer ansetzen, als es die effektiven Beschaffungskosten verlangen, müssten wir in den Folgejahren eine zusätzliche Tariferhöhung einrechnen, um diese Unterdeckung auszugleichen. Wären im Umkehrschluss die Tarife zu hoch angesetzt, würden die zu hohen Einnahmen in den Folgejahren den Kunden über die Tarife wieder zurückgegeben.»
Wer profitiert von den höheren Tarifen und Marktpreisen?
«Die Ukraine-Krise und eine gestiegene Nachfrage an Energie treibt seit Monaten die Preise für Rohstoffe in die Höhe. Davon profitieren die Energieunternehmen mit grossen Karftwerken. Stromversorger wie IB-Murten sind den Marktkräften ausgesetzt und durch solche Entwicklungen gezwungen, die Tarife anzupassen. Da der Gewinn durch die regulatorischen Vorgaben definiert ist, haben die Tarife und Marktentwicklungen keinen Einfluss auf den Gewinn der IB-Murten. Die IB-Murten darf pro Stromrechnungsempfänger einen Gewinn von 75 CHF geltend machen, davon abgezogen werden zudem die Vertriebs- und Verwaltungskosten. Die IB-Murten hat rund 5’000 Rechnungsempfänger.»
Wie haben sich die Strompreise der IB-Murten in den vergangenen Jahren entwickelt?
2015-2021 sind die Strompreise gesunken, seit 2021 steigen diese an.
Die Strompreise für einen typischen Haushalt sind von 2015-2021 kontinuierlich gesunken. Für Gewerbekunden konnten sie stabil gehalten werden. Danach setzte ein Trendwende ein: Für die Jahre 2021 und 2022 sind die Tarife für beide Kundengruppen bereits leicht angestiegen und 2023 nun stark.
Warum hat die IB-Murten keine eigenen Kraftwerke?
Die IB-Murten besitzt eigene Photovoltaikanlagen. Grosse gängige Kraftwerkstypen sind aufgrund der geographischen Lage nicht möglich.
Um unseren grundversorgten Kunden in dieser Situation stabile Tarife bieten zu können, wäre ein oder mehrere grössere Kraftwerke nötig. Die bis jetzt in der Schweiz gängigen Kraftwerkstypen kommen für die IB-Murten aufgrund der geographischen Lage oder der Investitionsintensität nicht in Frage. So wurde in erster Linie in den Bau von Photovoltaikanlagen investiert.